„Die Verkehrswende zünden“ – Rückblick auf Mobilitätsevent mit Markus Büchler, MdL

Foto: Jürgen Scheller

Mit der Tempo-30-Debatte in Cadolzburg hat es angefangen – am gestrigen Diskussionsabend haben wir nun die große Frage gestellt: „Wem gehört die Straße?“. Mit dem verkehrspolitischen Sprecher der Grünen Landtagsfraktion Markus Büchler hatten wir den passenden Experten dazu am Start, um die Mobilität der Zukunft zu skizzieren. Fest steht: Vieles muss neu gedacht werden.

Das Grußwort gab zunächst ein anderer: Uwe Kekeritz, MdB und Direktkandidat unseres Wahlkreises. Als Abgeordneter vor Ort, von Bad Windsheim über unseren Landkreis bis zur Stadt Fürth, fühlt er sich ganz besonders verantwortlich: „Mein Wahlkreis vereint Land und Stadt mit dem ganzen Potpourri an Mobilitätsproblemen“. Vor der Frage, wem sie gehöre, brauche es aber erstmal ein Verständnis, was die Straße überhaupt ist: Eben nicht nur eine Rollbahn für Autos, sondern auch ein Lebensraum, eine Kulturzone, ein Treffpunkt zur Verbindung von Menschen. Auch als Gesundheitsfaktor und Ort des Klimaschutzes nehme sie entscheidenden Einfluss auf unser Zusammenleben und unsere Lebensqualität.

Corona habe es kurzfristig möglich gemacht, etwa mehr Fahrräder auf den Asphalt zu bringen. Damit auch in Zukunft die Straße ein zugänglicher Ort sein kann, brauche es politisches Handeln: Den öffentlichen und den unmotorisierten Verkehr stärken und übrige Einzelfahrzeuge möglichst emissionsfrei machen. „Die neue Bundesregierung muss riesige Aufgaben im Verkehr meistern“. Eine Aufgabe, die wir als Grüne in führender Rolle auch annehmen wollen.

Ein interessantes Konzept aus Österreich hat MdL Markus Büchler unter anderem mitgebracht: Begegnungszonen

Worum es also gehen muss ist klar, so Markus Büchler in seinem Input: „Die Verkehrswende zünden, den Turbo einleiten“. Was in der bisherigen Verkehrspolitik schieflaufe, sei, dass auf Platzmangel und Stauprobleme mit Straßenerweiterungen und -neubauten geantwortet werde. Anstatt neue Schneisen durch die Landschaft zu ziehen, brauche es hingegen eine Erhöhung des Modalsplits für Rad und ÖPNV. Um das zu bewerkstelligen, müsse die Infrastruktur von einer rein auf Autoverkehr ausgerichteten Konzeption weiterentwickelt werden. Eine Auto müsse dabei nicht als „böse“ betitelt und verbannt werden; stattdessen gebe es drei zentrale Aufgaben, um den Lebensraum Straße für alle lebenswert und sicher zu machen:

  1. ENTLASTUNG DURCH SCHIENENVERKEHR: Zweifelsohne sei die Bahn ein essentielles Rückgrat der Verkehrswende, sie habe im Moment aber einen gigantischen Nachhol- und Investitionsbedarf. Viele europäische Staaten sind uns dabei voraus, weshalb wir ein großes Investitionspaket schnüren müssen. Auch könne eine in der Region bereits diskutierte Stadt-Umland-Bahn dabei helfen, nicht nur Land und Stadtzentrum, sondern eben Außenbereiche der Stadt „tangential“ besser miteinander zu verbinden.
  2. SICHERHEIT UND PLATZ FÜRS FAHRRAD: Die empfundene Unsicherheit auf der Straße halte viele Menschen von Umstieg auf den Drahtesel ab. Unser Ziel sind Todeszahlen von 0, „Mission Zero“. Während die ersten Pilotversuche mit Popup-Radwegen einen guten Anfang darstellen, brauche es noch viel mehr: Radwege dürfen nicht einfach enden, sondern es müsse eine eigene Infrastruktur für Radfahrer zur Verfügung stehen; wo der Platz für Radschnellwege zu eng wird, könne Verkehrsberuhigung zur Sicherheit beitragen. Kurzum: Es brauche eine menschenfreundliche Verkehrsordnung.
  3. DEN ÖFFENTLICHEN RAUM STÄRKEN: Man müsse zwar nicht in die Kaiserzeit zurückkehren, wo sich Mensch, Straßenbahn und Pferdekutsche noch Straßen und Plätze als Kommunikationsforen geteilt haben. Bereits heute gibt es die Möglichkeit, den öffentlichen Raum untereinander zu teilen: Begegnungszonen in Österreich oder der Schweiz. Mit obigem Straßenschild versehen, dürfen sie von jedem benutzt werden, allerdings ohne irgendeinem Bewegungsmittel den Vorrang einzuräumen. Das Ergebnis: Kein Chaos, zufriedene Anwohner, reger Austausch, lebendiger Einzelhandel und keine Verkehrstoten (!). Sowohl solche Begegnungszonen in Ortsmitten als auch Spielstraßen in Wohnvierteln müssen dabei unbürokratisch eingeführt werden können.

In der anschließenden Fragerunde gab es vonseiten unseres Experten noch einige interessante Antworten:

Wie soll der ÖPNV preislich gehandhabt werden? Erstens müssen Verkehrsbünde mit flächendeckenden Tarifzonen dort in Bayern geschaffen werden, wo es noch keine gibt. Zweitens müssen diese auch Landeszuschüsse erhalten und nicht nur der Münchner MVV. Schließlich müssen 365€-Tickets für alle verfügbar sein; darüber hinaus gelte allerdings die Doktrin: Zuerst das Angebot schaffen, dann großzügige Preisrabatte oder kostenlose Beförderung über die Nachfrage decken.
Wie verhält es sich mit Radweg auf dem Land und dem Flächenverbrauch? Die kurze Antwort: Die etwa vier Meter breiten Asphalt-Wege verbrauchen viel weniger Fläche als die Straßenerweiterungen, die ohne sie nötig wären.
Wie stehen wir zu den Mobilitätskonzernen der Autos und der Bahn? Wir wollen weder eine angebliche Macht der Autokonzerne brechen, noch sie vernichten, sondern sie durch gezielte Rahmensetzungen auch in Zukunft wettbewerbsfähig halten. Und wenn wir die DB als Organisation zur Förderung des öffentlichen Gemeinwohls ähnlich den städtischen Dienstleistungen auffassen würden, so sei der ihr aufgelegte Gewinnzwang falsch. Stichwort ICE-Werk Raitersaich: Er habe zwar keinen Überblick über alle potenziellen Standorte, aber – so Markus – muss jedes solche Werk minimal flächen- und anwohnerschädlich sein.

Vielen Dank an unsere Moderatoren Heike Barth und André Höftmann, vor allem an Markus Büchler als exzellenter und viel Einsatz zeigender Fachpolitiker sowie an alle der knapp 50 Teilnehmer*innen! Zu guter Letzt bleibt nur eines zu sagen, wie Markus treffend sagte: „Ich wünsche mir, dass wir als Grüne ab September die Leitplanken stellen können“


Mehr zur Grünen Verkehrspolitik im Wahlprogrammentwurf – Stichwort Mobilitätsgarantie – oder auf der Webseite der Grünen Bayern

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2 Kommentare

  1. Nachdem ich den Vortrag verpasst habe, hatte ich gehofft eine Aufzeichnung zu finden. Leider finde ich nichts dazu.

    1. Hallo Jürgen, die Aufzeichnung ist aus rechtlichen Gründen für die interne Verwendung beschränkt. Mitglieder erhalten den Link noch per Mail.