„Es hängt vom politischen Willen ab“ | Rückblick zum ÖPNV-Aktionsbündnis-Auftakt 25. Juni 202113. Juli 2021 | Autor: Kreisverband Initiator Christian Löbel und unsere KV-Vertreterin Angelika umrahmen die beiden Gastredner des Abends, Titus Schüller (mitte) und Prof. Dr. Harald Kipke (mitte, Bildschirm) Eben dieser politische Wille war am Ende das Schlagwort des Abends, als das frisch im Landkreis gegründete Aktionsbündnis „ÖPNV für alle“ – unter unserer Beteiligung – seine erste Veranstaltung im Pfarrsaal St. Otto in Cadolzburg feierte. Neben Schirmherr Christian Löbel (Linke) waren auch viele Vertreter*innen von anderen Bündnispartnern, darunter Bund Naturschutz, ÖDP, VCD Fürth oder dem Seniorenrat Langenzenn vor Ort; von unserer Seite insbesondere die Kreisvorsitzenden Angelika Igel (Bild) und André Höftmann. Nach einleitenden Worten des gastgebenden Dekans von Fürth, André Hermany, durfte Löbel uns auch schon auf die Veranstaltung einstimmen. Grundsätzlich sei klar: „Wenn wir es ernst meinen mit der Verkehrswende, kommen wir nicht um einen attraktiven ÖPNV herum“. Um die finanziellen Anreize geht es also, ganz gemäß der Formel 5-15-365 – keine Telefonnummer, sondern das 5€-Tagesticket, ein 15€-Sozialticket und das allbekannte 365€-Jahresticket für den gesamten VGN-Raum als politische Kernforderungen des Bündnisses. Um Politik ging es dem ersten Fachreferenten des Abends auch, Prof. Dr.-Ing. Harald Kipke, Experte für Verkehrsplanung an der TH Nürnberg. So seien etwa die Tarife im ÖPNV stets eine politische Aushandlung zwischen Rentabilität, Gerechtigkeit und Verständlichkeit. Wie sehr sind Fahrpreise aber nun politische Entscheidungen? Dazu gab es einige interessante fachliche Studien und Forschungsergebnisse zu präsentieren. Zunächst einmal sind Siedlungsstrukturen freilich stark einflussnehmend auf die Ticketpreise: Besonders diejenigen dicht besiedelten Großstädte mit gutem Verkehrsnetz und ausreichend Nachfrage schaffen es, die Geldbörse am ehesten zu schonen, in Deutschland besonders Berlin und München (mit Nürnberg im Mittelfeld), die aber allesamt dem großen Vorbild aus Wien nicht das Wasser reichen können. Würde man etwa das, was den Wienern 365€ im Jahr Wert ist, auf die Stadt Nürnberg beziehen, so dürfte eine Jahreskarte in der Frankenmetropole maximal 204 statt knapp über 500€ (Tarifzone A minus Fürth/Stein) kosten.All das zeige: Der politische Wert des ÖPNV und damit der politische Wille, ihn zu bezuschussen, ist entscheidend für die Höhe der Tarife. „Es ist kein Umsetzungsproblem, sondern ein Problem des poltischen Willens“, so der Forscher. Generell seien so ÖPNV-Preise in Deutschland im Vergleich zu den europäischen Nachbarn oftmals doppelt so hoch. Wie auf Nachfrage deutlich wird, sind Bewohner des ländlichen Raums wie hier in Fürth nochmal stärker benachteiligt: Für die gleiche Wegstrecke müssen Land-Stadt-Pendler gegenüber Fürth-Nürnberg-Pendlern beinahe das doppelte bezahlen. Beim Stichwort ‚Zahlen‘ drängt sich freilich auch die Frage nach der Bezahlbarkeit des ÖPNV auf. Neben Ticketeinnahmen kann Wien etwa auf entsprechende Landes- und Bundeszuschüsse bauen, aber auch auf ein einheitliches Parkgebührensystem und eine Arbeitgeberabgabe in der Stadt. Besonders die Parkraumbepreisung lässt sich in einem Landkreis allerdings kaum bewerkstelligen, weshalb Zuschüsse und Ticketeinnahmen umso wichtiger sind. Dabei stellt Kipke fest: Schafft man zuerst genügend Angebot, werden die Mehreinahmen durch steigende Fahrgastzahlen den Mehraufwand überkompensieren. Viele Fakten übersichtlich zusammengefasst Von einem erfolgreichen Einsatz für billigere Fahrpreise konnte schließlich Titus Schüller berichten, Initiator der 365€-Ticket-Bürgerinitiative in Nürnberg (Das allgemeine 365€-Ticket im Stadtgebiet wird laut Vereinbarung mit der Stadtregierung ab 2023 eingeführt). ÖPNV sei ökologisch UND sozial, so der engagierte Kommunalpolitiker, und daher besonders wichtig. Wir stimmen zu! Seine Bewegung in Nürnberg hat spätestens mit der 15%-Fahrpreiserhöhung von 2012 stark an Fahrt aufgenommen, mit breiter Unterstützung vonseiten der Bevölkerung. Diese hat sich 2020 ausgezahlt: Das Bürgerbegehren war erfolgreich und der Stadtrat hat entsprechende Zusagen gemacht. Es wird sehr spannend zu sehen sein, wie weit unser Landkreis-Aktionsbündnis in der nächsten Zeit wachsen wird (es ist offen für alle!, gerne mal vorbeischauen auf Facebook) und ob es irgendwann ein Bürgerbegehren auch hier vor Ort geben wird, Den politischen Willen braucht es also in der Preis-Debatte. Dementsprechend formuliert Löbel: „Wir wollen politisch gestalten“. Und das ist nötig, damit die verfassungstechnischen „gleichwertigen Lebensverhältnisse“ zwischen Stadt und Land auch wirklich Einzug erhalten, wie Schüller anmerkt. Nürnberg habe bereits „den Ball ins Tor bekommen“; als Teil des Aktionsbündnisses sagen wir: Das dürfen Landkreis Fürth und der VGN-Raum gerne auch. Das gilt im Übrigen auch für eine gewisse Nationalmannschaft am kommenden Dienstag…